Berlin _ 1895 _ lesung

Teestunde bei Rahels Schwestern. Hedwig Dohm

 

 

(de) Ein wunderschöner Abschluss für meine Stippvisite in Berlin. Mein Dank an Annalisa, denn sie war es, die mich diesmal in die Mendelsohn-Remise gelockt hat. Und ich habe den Abend sehr genossen, wegen der Texte, der Art des Vortrags und wegen der Musik. Rund, stimmig, unterhaltsam, witzig, tiefsinnig……

Und ich muss zu meiner Schande gestehen, ich kannte Hedwig Dohm bis dahin nicht. Welch Versäumnis meinerseits. Um so dankbarer bin ich, sie jetzt gefunden zu haben.

In den wrd-Zeitzeichen vom 1.06.2019, anlässlich des 100. Jahrestages ihres Todes findet sich eine Kurzbiografie.  Sie war das Vorbild von Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer und Generationen von Feminist:innen. Sie forderte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Mann und Frau! Und damit gehört sie zu den wohl radikalsten Frauenrechtlerinnen des 19. Jahrhunderts. Aber Hedwig Dohm war noch viel mehr als die Frauenrechtlerin, als die sie in den 1970ern von der Frauenbewegung wiederentdeckt wurde. Sie schrieb Romane, Theaterstücke, Rezensionen und wissenschaftliche Abhandlungen. Sie schrieb gegen die Sklaverei, gegen Antisemitismus und vor allem gegen den Krieg. Hedwig Dohm ist darum vor allem eine Humanistin mit einer großen Klarheit des Denkens und mit einem unbeirrbaren Gerechtigkeitssinn. „Menschenrechte haben kein Geschlecht!“, schrieb Hedwig Dohm schon 1876.

(es) Un precioso broche final para mi visita relámpago a Berlín. Mi agradecimiento a Annalisa, porque fue ella quien me atrajo esta vez a la Mendelsohn-Remise. Disfruté mucho de la velada, por los textos, el estilo de la interpretación y la música. Una tarde redonda, coherente, entretenida, divetida, profunda……

Y tengo que confesar no haber conocido a Hedwig Dohm hasta entonces. Qué omisión más grande por mi parte. Más agradecida me siento al haberla encontrado ahora.

Hedwig Dohm fue el modelo a seguir de Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer y generaciones de feministas. Ya a mediados del siglo XIX reclamaba la plena igualdad jurídica, social y económica entre hombres y mujeres. Esto la convierte en una de las activistas por los derechos de la mujer más radicales del siglo XIX. Pero Hedwig Dohm fue mucho más que la activista por los derechos de la mujer que el movimiento feminista redescubrió en los años setenta. Escribió novelas, obras de teatro, revistas y tratados científicos. Escribió contra la esclavitud, el antisemitismo y, sobre todo, contra la guerra. Hedwig Dohm es, por tanto, ante todo una humanista con una gran claridad de pensamiento y un inquebrantable sentido de la justicia. „Los derechos humanos no tienen género“, escribió Hedwig Dohm ya en 1876.

 

 

 

(de) Ich kann hier keine langen Videos hochladen, aber drei kleine Schnipsel habe ich euch mitgebracht, damit ihr Lust bekommt und euch auf die suche macht. Im Internet gibt es bestimmt mehr über diee beeindruckende Frau, über diese beeindruckenden Frauen, denn Dorothee Nolte liest nicht zum ersten Mal und Annalisa Derossi werdet ihr auch finden.

(es) Aquí no puedo subir vídeos largos, pero os traigo tres pequeños fragmentos para abriros el apetito y que empeceis a buscar. Seguro que hay más sobre esta mujer impresionante en Internet, sobre estas mujeres impresionantes, porque para Dorothee Nolte no es la primera velada literaria que protagoniza, al igual que Annalisa Derossi no se sienta la primera vez delante de un piano.

 

(de) Annalisa hat die Musik für diesen Abend zusammengestellt. Da reihten sich aneinander Arbeiten von Lili Boulanger (1893-1918), Marie Jael (1846 – 1925), Louise Farrenc (1804 – 1875), Fanny Hensel (1805 – 1875), Helen Hopekirk (1846 – 1925), Jenni Pinnock (geb. 1987), Ethel Smyth (1858 – 1944) und von Annalisa Derossi selbst.

 

(es) Annalisa ha escojido la música para esta velada. Como en un colar de perlas se enfilaron obras de Lili Boulanger (1893-1918), Marie Jael (1846 – 1925), Louise Farrenc (1804 – 1875), Fanny Hensel (1805 – 1875), Helen Hopekirk (1846 – 1925), Jenni Pinnock (nacida en 1987), Ethel Smyth (1858 – 1944) y de la propia Annalisa Derossi.

 

Wie viele…..? /  ¿Cuántas….. ?

 

Brief an eine alte Frau / Carta a una mujer vieja

 

Im Internet habe ich die gekürzte Fassung des Artikels „Die alte Frau“ von Hedwig Dohm, erstmals erschienen im Jahr 1903 in Die Zukunft.

Ich liebe dich, alte Frau.

Ich möchte, dass die alte Frau sich weiß kleide. Ich meine, ihr gebührt die Farbe, die dem Licht verwandt ist. Etwas Priesterliches, Erdentrücktes, Lichtsuchendes möchte ich an ihr sehen. Man sagt, dass die alte Frau den Spott herausfordert, wenn sie Dinge tut, die ihrem Alter nicht angemessen sind. Nicht angemessen sind oder nicht für angemessen gelten? Dieser Unterschied ist wichtig.

Von dem, was für unangemessen gilt, beruht das meiste auf Gewohnheit und Zeitvorurteil. Ein Beweis dafür ist, dass ein Tun, das die alte Frau lächerlich macht, bei dem gleichaltrigen Mann Beifall, oft den allerlebhaftesten, findet. Eine alte Frau mit Schlittschuhen an den Füßen, auf dem Fahrrad, auf dem Pferd, – lächerlich; der achtzigjährige Moltke auf dem Pferd wurde als eine bewundernswerte Erscheinung angestaunt; dem weißbärtigen Schlittschuhläufer folgen nur wohlwollende Blicke.

Höre, alte Frau, was eine andere alte Frau dir sagt: Stemme dich an! Habe Mut zum Leben! Denke keinen Augenblick an dein Alter. Die Jüngsten können vor dir ins Grab steigen. Den Tod vorausdenken, vorausfühlen, heißt ihm entgegeneilen, heißt die Gegenwart entrechten. Wenn du nur noch einen einzigen Tag lebst, hast du eine Zukunft vor dir.

Tu, was dir Freude ist, soweit deine Geistes- und Körperkräfte reichen. Gerade, weil du nicht mehr lange Zeit vor dir hast, schöpfe jede Minute aus.

Spotte des Spottes, mit dem man dich einschüchtern, dir die Türen zur Freude sperren will. Das Recht zu leben hat das Kind wie die Greisin. Werde immerhin alt für die anderen: nicht aber für dich.

Was habt ihr Alten denn nach der Gesellschaft – die längst über euch hinweg gegangen ist – zu fragen? Wer von der Gesellschaft nichts mehr will, hat nichts mehr von ihr zu fürchten. Das Grab gönnt jeder uns. Duckmäuser ihr! Was horcht ihr noch immer auf Beifall und Zischen dieser Gesellschaft?

Wenn ihr Lust und Kraft dazu habt, so radelt, reitet, schwimmt, entdeckt auf Reisen neue Schönheiten, neue Welten.

Lasst euer weißes Haar, wenn ihr es habt und es euch bequem ist, frei um das Haupt wallen. Mischt euch unter die Lernenden. Beinahe kommt es mir lächerlich vor, dass ihr euch schämt, noch nach Wissen zu trachten, als wäre das Absterben ein lieblich ernstes Geschäft, das zu hemmen indezent wäre.

Klagst du, Alte, dass die Menschen nichts mehr von dir wissen wollen?

Man hat dich die Zaubersprüche nicht gelehrt, mit denen man die Schätze des Geistes hebt?

Ja, das ist’s.

Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen; aber gegen den zu frühen Tod des Weibes sind viele Kräutlein gewachsen. Das kräftigste heißt: bedingungslose Emanzipation der Frau – und damit die Erlösung von dem brutalen Aberglauben, dass ihr Daseinsrecht nur auf ihrem Geschlecht beruhe. Gebt der Frau einen reicheren Lebensinhalt, einen Beruf.

Untätigkeit ist der Schlaftrunk, den man dir, alte Frau, reicht. Trink ihn nicht! Sei etwas! Schaffen ist Freude. Und Freude ist fast Jugend.

 

Hier noch einmal der LINK zum 15minütigen Podcastbeitrag über Hedwig Dohm beim WDR 5 Zeitzeichen vom Juni 2019.

Und ein weiterer Link zum Eintrag über Hedwig Dohm im Digitalen Deutschen Frauenarchiv.

 

 

Danke, Mendelsohn Remise, für diese Veranstaltung, Danke Dorothee Nolte und Danke Annalisa, für diesen wunderbaren Abend.

 

 

 

 

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