Markttag
Mittwoch ist Markttag in Zittau. Da ich mit dem KUKUmobil auf dem Marktplatz stehe, wird das KUKUmobil unweigerlich Teil eines Marktgeschehens. Eine neue Erfahrung.
Glücklicherweise fehlten einige Stände wegen der Sommerpause und der Marktleiter war ausgeruht und wohlgesonnen aus dem Urlaub zurückgekommen, sodass nach einer leichten anfänglichen Irritation bei einigen Marktleuten, die die Anwesenheit des KUKUmobils unvorbereitet traf, und die sich nicht in erster Linie durch ein gelassenes Gemüt und fluides Denken auszeichnen, dass geschmeidig auf Änderungen reagiert, am Ende alle einen Platz auf dem Platz fanden.
Ich habe mit Staunen den Einfädelprozess beobachtet. Als Marktbesucherin macht man sich gewöhnlich keine Gedanken darüber, was im Vorfeld passiert, bevor der Markt bereit ist für das Tagesgeschäft, in welcher Reihenfolge, zum Beispiel, die Fahrzeuge auf den Platz kommen, um mit ausreichend Raum zum Rangieren den Stand in die richtige Position zu bringen. Mit prüfendem Auge habe ich mir jedes von ihnen angesehen und dabei überlegt, ob es in der Lage wäre, auch das KUKUmobil zu ziehen.
Und dann sind halt Profis am Werk. Jeder Handgriff sitzt, jedes Ding hat seinen Platz, im Auto und auf dem Platz. Alles ist durchdacht. Da kann ich mir noch eine Scheibe von abschneiden. Meine Kisten stehen immer noch bei jedem Transport in einer anderen Anordnung, die berühmte blaue Tüte mit den Dingen, die keinen Platz gefunden haben gibt es immer noch. Ich werde immer besser, und es geht auch immer schneller, aber ich bin noch weit von dieser Routine entfernt, von der ich andererseits nicht sicher bin, ob ich sie wirklich erreichen möchte.
In einer halben Stunde hat sich der Platz gefüllt und ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, als wir in einem kleinen Dorf in Nordspanien wohnten, unweit von Aguilar de Campoo entfernt, und ich mit dem „Marktbus“ zum Einkaufen gefahren bin. Zwischen dem Hin und dem Zurück gab es gerade ausreichend Zeit fürs Einkaufen, eine oder zwei schnelle Erledigungen und einen Kaffee im Stehen mit einem kurzen Plausch. Dann mußte man los. Es gab nur diesen einen Bus zurück, den man, schwerbeladen mit dem Einkauf, nicht verpassen wollte.
Auch auf dem Zittauer Wochenmarkt treffen sich die Menschen aus den umliegenden Dörfern, auch hier gibt es Gemüse, Fisch und Fleisch und Ramsch. Es gibt den Honigstand von Familie Kahle. Dort verkauft Herr Kahle Eier von einem Nachbarn und den eigenen Honig. Früher hat sich seine Frau um den Marktstand gekümmert. Seitdem sie nicht mehr da ist, macht er es selbst. Seine Stammkundschaft bringt die leeren Eierschachteln und nimmt neue mit, kauft Honig und Pollen.
Peggy verkauft ihr biologisch angebautes Gemüse. Sie hat eine große Kiste mit losem gemischtem Salat und ihre Stammkund:innen daran gewöhnt, dass sie ein geeignetes Gefäß mitbringen, dass sie dann selbst füllen können. Ich hatte nun leider nichts dabei und stand etwas ratlos vor der Kiste, denn Fakt ist, dass ich mich größtenteils von Fertigsalatmischungen aus dem Supermarkt ernährt habe und mich das bunte Salatgemüse auf eine Art anlachte, der ich nicht widerstehen konnte. Als ich Peggy meine Not mitteilte, kramte sie in eine kleinen Kiste und zog einen Beutel hervor, den sie irgendwann um die Wende herum selbst aus altem Gardinenstoff genäht hatte. Ich darf ihn benutzen und werde ihn in Ehren halten.
Den ganzen Vormittag habe ich das Marktgeschehen aus einem Augenwinkel beobachtet, der andere ruhte natürlich auf der Arbeit am Webstuhl. Dabei kam in mir schon die Frage auf, ob diese Art von Wochenmarkt ein zukunftsfähiges Modell ist. Wieviel muss jeder Stand verkaufen, damit es sich rechnet? Wie groß ist die Gewinnspanne? So wirklich prickelnd schien der Umsatz nicht zu sein. Aber man muss das wohl irgendwie übers ganze Jahr hinweg aufrechnen. Obwohl, die Gemüse- und Obststände haben ja gerade jetzt viel zu bieten, wenn in den Gärten der größtenteils schon berenteten Kund:innen auch einiges zu ernten ist. Denn der Altersdurchschnitt der Kundschaft ist schon relativ hoch. Kein Wunder. Wer noch arbeiten muss arbeitet halt an einem Mittwochmorgen, außer man arbeitet so nah bei, dass man mal eben schnell runterhüpfen kann zum „Eiermann“.
In Berlin werden die Samstagsmärkte gut angenommen, mit einer Mischung aus viel Öko, viel lecker Essen, viel Handgemacht und ein wenig Weekend-Socializing. Auch in Zittau soll das Publikum auf dem samstäglichen Frischemarkt ein ganz anderes sein. Wollen wir hoffen, dass sich das Format hält, dass es Nachwuchs gibt, der bereit ist, diesen harten Job zu übernehmen, dass das Angebot vielfältig und frisch, lokal und vor allem persönlich bleibt, dass dieser Mehrwert gegen das schnelle anonyme Einkaufen in den großen Supermärkten bestehen und diese kleine Nische wahren kann, dass die Kundschaft empfänglich für die besondere Atmosphäre eines Wochenmarktes bleibt.
Ich habe mich wohl gefühlt in der Gesellschaft auf dem sonst eher leeren Platz und habe mich über alle gefreut, die den Markttag genutzt haben, um auch dem KUKUmobil einen Besuch abzustatten.
Mein kleiner Beitrag zum Überleben des Mittwochsmarktes: Honig und Pollen von Imker Kahle, polnische Himbeeren und ein Frischkräuterstrauss nebst Salatbeutel von Peggy.