Vom Leben auf dem Marktplatz
Mittendrinner geht’s nicht. Hier in Zittau hatte ich das erste Mal Gelegenheit, mit dem KUKUmobil direkt im städtebaulichen Herzen einer Stadt zu stehen. Nach dem Aufenthalt im Schutz des Hofes des Deutschen Damast- und Frottiermuseums und der Abgeschiedenheit des Parkplatzes an der Webschule in Großschönau ist es eine ganz neue Situation, an die ich mich erst gewöhnen musste. Denn der Standort auf dem Marktplatz in Zittau, der sich so spontan über einen Kontakt ergeben hat, war der weitaus öffentlichste. Daraus ergaben sich Herausforderungen, mit denen umzugehen ich auch erst lernen musste.
Aber genau darum geht es ja bei diesen ersten Fahrten mit dem KUKUmobil: testen, testen, testen…. unterschiedliche Kontexte, groß, klein, am Rand oder mittendrin, mehr oder weniger öffentlich. Und was das jeweils bedeutet, für das Projekt, für die Arbeit, für mich… Wie sich die eigenen Grenzen der Zumutbarkeit in den unterschiedlichen Konstellationen verschieben.
Daher war ich froh, im Hintergrund auf eine Infrastruktur zurückgreifen zu können, die mir Roland und Steffi Friebolin mit ihrem Steinmetzunternehmen großzügigerweise zur Verfügung gestellt haben.
# Denn dort hatte ich Zugang zum Internet, und konnte dadurch zumindest am Anfang meines Aufenthaltes noch den Blog zeitnah bedienen. Dann war irgendwann kaum noch Zeit dafür, bzw. es gab einfach so vieles zu erleben und gleichzeitig zu berichten, dass ich nicht mehr hinterherkam mit dem Erzählen und mich auf das Erleben konzentriert habe.
# Ich konnte dort einen kleinen Raum im Kühlschrank in Anspruch nehmen, das hat die Ernährungsfrage erleichtert.
# Ich konnte dort duschen. Fast mehr noch als im kalten Februar in Cottbus war ich bei der Hitze in Zittau dankbar für eine erfrischende Dusche. Nun gut, in diesem Fall hätte ich auch, wie ich es an den beiden letzten Tagen getan habe, mit einem frühmorgendlichen Bad im nahegelegenen See Abkühlung gefunden. Aber so war es einfach sehr entspannt.
# Und ich hätte nicht nur dort schlafen können, sonder ich habe es auch getan. Schlafen in der Öffentlichkeit, das wird für mich, so habe ich jetzt gemerkt, mit eine der größten Herausforderungen sein. Alles andere findet sich. Der Körper läßt sich trainieren und das Auge übt sich zum Beispiel in der Ortung öffentlicher Toiletten oder Trinkwasserbrunnen….
Aber das Schlafen, das ist noch einmal eine ganz andere Nummer. Genau gesagt, das Einschlafen und Aufwachen. Es ist keine Frage der Angst, ich denke nicht, dass mir auf dem Zittauer Marktplatz oder dem Großschönauer Parkplatz irgendetwas etwas passiert wäre. Es ist auch keine Frage der Bequemlichkeit, denn ich komme gut zurecht mit der dünnen Matte auf dem Boden des KUKUmobils. Es ist das Gefühl der Verletzlichkeit, das Bedürfnis nach Intimität in diesen Momenten des Übergangs vom Wachen zum Schlafen.
Das führt dazu, dass ich versuche schnell herauszufinden, wann ein KUKUmobil-Standort schlafen geht und wann er aufwacht. Deswegen hatte ich im Museumshof kein Problem, denn dort waren die Zeiten definiert, und auch auf dem Parkplatz war schnell klar, wer wann kommen würde. Was passiert, wer passiert, während ich schlafe, das ist mir ja gleich. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
So kommt es, dass ich erst schlafen ging, wenn klar war, dass das Leben um mich herum zur Ruhe gekommen war, und versuchte wach zu werden, bevor das menschliche Leben um mich herum begann. Daraus ergaben sich wenige Stunden Schlaf, was an sich auch kein Problem ist. Aber ich bin halt nicht unbedingt eine Frühaufsteherin…..
Trotzdem ich in Zittau der verführerischen Bequemlichkeit nachgegeben und nicht im KUKUmobil geschlafen habe, war ich doch bei Tagesanbruch schon unterwegs, um zuzusehen, wie der Platz erwachte. Auch wie er schlafen ging.
Es war spannend, zu beobachten, wie sich im Laufe des Tages die Atmosphäre verändert. Montagsdemo, Wochenmarkt am Mittwoch und Frischemarkt am Samstag als reguläres Programm. Zumindest in den Sommerwochen. Rathaus, einige Geschäfte, Touristeninfo, drei Bäcker mit Terrasse, für die Zeit von sieben bis siebzehn Uhr, eine Bar für die Stunden danach, freies WLAN rund um die Uhr.
Und dementsprechend wandelt sich auch das Publikum. Tagsüber scheint der Platz für die Zittauer:innen eher ein Durchgangsort zu sein. Nachvollziehbar, man ist immer auf dem Weg: Erledigungen, Einkäufe, Arbeit, Schule….. Im Sommer brütet die Hitze auf dem asphaltierten Platz, außer in der kleinen Sandoase am Brunnen.
Touristen machen eine Pause unter einem der Sonnenschirme, Großeltern sitzen im Schatten und schauen den Enkeln beim Spielen im Sand zu. Dann kommt die Dämmerung. Die Geschäfte schließen, die Terrassen leeren sich, die Enkel werden zum Abendbrot heim geführt. Und dann, nach und nach, setzt sich die Geräuschkulisse aus Klängen zusammen, die ich nicht mehr verstehe, und die Bänke füllen sich mit Menschen, die, ihrem Erscheinungsbild nach, mit hoher Wahrscheinlichkeit „Dazugezogene“ sind. Sie nutzen den freien Internet-Zugang, telefonieren in die Ferne, treffen sich mit Ihresgleichen. Und sie geben dem Platz Leben, wie ich es aus meiner Zeit in Spanien kenne.
Es waren lange Tage, es waren intensive Tage, mit vielen kurzen und langen Begegnungen, mit spannenden Erzählungen…
UND, ich bin zum Weben gekommen und der Leitsatz, der dieses Projekt begleiten wird, dieser wunderbare Satz von Hilde Domin: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten“, ist fast fertig.