DAS TAL DER NEBELKRÄHE
Zum x-ten Mal bin ich umgezogen in der KMH. Ich glaube, das ist mein 5.Standort. Wie gut, wie gut, dass Hans mir damals eine Plattform auf Rädern für den Webstuhl gebaut hat.
Mit etwas Glück ist es der letzte Standort bis zur Fertigstellung des Teppichs. Mich kostet es jedes mal ein, zwei Tage, bis ich mich zurechtfinde und mich zwischen die Fäden begeben kann, ohne Sorge zu haben, auf dem Weg verloren zu gehen.
Ich weiss nicht, ob es für andere Menschen, die nicht so intensiv in unterschiedlichen Welten unterwegs sind, nachvollziehbar ist, wie sehr man von solchen Umständen abhängt, um den Wechseln von einer Welt in die andere möglichst sanft zu durchgehen. Da helfen auch Harry Potters und Alices und Annas in den Wänden und Unendliche Geschichten und Tintenherzen und selbst Sommernachtsträume nichts. Oder doch?
Nun, ich genieße es jedenfalls, jetzt wieder Tageslicht zu haben. Und ich habe die Ecke geschafft. Das ist immer ein besonderer Moment. Jetzt gilt es „nur noch“ ein Tal zu füllen. Das Tal der Nebenkrähe.
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse