Aus der Stille heraus. Teil 4.
Carpet Mapping. Kartographie des Teppichs
Noch bis zum 28. Januar 2024 läuft im Schloß Britz die von Sarah Crowe und Rebekka Liebmann kuratierte Ausstellung mit obigem Titel. Zu sehen sind im Park und in den für Sonderausstellungen bestimmten Räumen des Schlosses Arbeiten von sechs zeitgenössischen Künstler:innen: THILO DROSTE, CATHERINE ROSE EVANS, BIRGIT HÖLMER, FARKHONDEH SHAHROUDI, HODA TAWAKOL und SLAVS AND TATARS
Den Text zur Ausstellung brauche ich nicht zu kopieren, ihr findet ihn auf der Homepage des Museums. An der Kasse bekommt ihr ein Din-A-4 Blatt mit weiterführenden Infos zu den ausgestellten Arbeiten.
Bleibt mir hier einige Fotos einzustellen, die ich bei meinen zwei Besuchen eingefangen habe, um euch die Ausstellung schmackhaft zu machen. Schloss Britz ist, je nach dem wo man in Berlin unterwegs ist, da, wo Fuchs und Hase sich „Gute Nacht“ sagen. Aber ich finde, der Besuch lohnt sich.
Es geht um Teppiche, aber nicht nur um einen Belag für den Boden. Es geht um Flor, aber nicht unbedingt ums Knüpfen. Es geht um Textilien, aber nicht unbedingt um Garne. Es geht um Räume, aber nicht nur im Innern von Gebäuden. Es geht um Herkunft, Identität und Tradition, aber auch um den Blick auf die Gegenwart und eine Ahnung der Zukunft.
THILO DROSTE
Die Arbeiten von Thilo Droste sind das Erste, was einem beim Besuch des Museums begegnet, wenn man über den Parkeingang das Gebäude betritt. Es sind aus Kunstteppiche im doppelten Sinn: als Kunstobjekt gedacht und aus Kunstfaser hergestellt. Im Infoblatt zur Ausstellung wird berichtet, dass dieser Serie von Outdoor-Teppichen ein Aufruf zugrunde liegt, der Menschen dazu einlud, ein Foto ihrer Teppiche zur Verfügung zu stellen zusammen mit einer Geschichte, die diese Teppiche für sie besonders bedeutsam macht. Leider habe ich im Internet nichts dazu gefunden, aber vielleicht habe ich nicht lange genug gesucht.
Ich fand es jedenfalls spannend, dieses Innen nach Außen stülpen. Zumal die Natur das Ihrige dazu getan hat, um ihren Teppich über die Teppiche zu legen.
Die Homepage von Thilo Droste: HIER
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CATHERINE ROSE EVANS
Ein Bodenbelag, mit dem als Bodenbelag niemand gerne leben würde: Kunstfaser, schlimmer kann es nicht sein, heizt sich auf, zieht Staub an, läd sich elektrostatisch auf. ABER als Kunstwerk faszinierend. Die Schattenkeile entstehen dadurch, dass der Flor anders gebürstet wird. Das Licht spiegelt sich an der kunstfaserigen Oberfläche dort, wo der Flor flach liegt, oder es wird verschluckt, dort wo die Florfasern aufrecht stehen. So entstehen die dunklen Bereiche, die als Schatten fungieren. Noch interessanter wird es, wenn man den Teppich umrundet und beobachten kann, wie sich die Wahrnehmung von Hell-Dunkel in dem gleichen Maße verändert, in dem auch der Lichteinfall es tut. Ein spannendes Stück.
Die Homepage von Catherine Rose Evans: HIER
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BIRGIT HÖLMER
Nicht nur in der Sonderausstellung, sondern auch in dem anderen teil des Museums werden die Arbeiten von Birgit Hölmer gezeigt. Möglicherweise, weil sie zumindest in ihren Mustern und Farben sehr an die traditionellen Perserteppiche erinnern, wie wir sie gewöhnt sind, und wie sie Teil der Einrichtung des Museums sind.
In der Sonderausstellung steht ihre Arbeit frei im Raum. Die Musterung der Perserteppiche läßt sich hier an einigen stellen nur noch erahnen und wird durch Erinnerungen ergänzt. Hergestellt werden diese Bilder durch den Auftrag von eingefärbten Silikonmassen auf ein feines Gittergewebe. Wie Fadennudeln drückt sich die Farbe durch das Gitter. Auf der Rückseite entsteht dadurch dagegen ein fast gemalt anmutendes Bild.
Spannend für mich als Bildwirkerin, denn bei mir ist der visuelle Eindruck eher genau anders herum: auf der Vorder- oder Bildseite mutet das Gewebe in seiner reinen Zweidimensionalität an wie ein Bild auf Leinwand, auf der Rückseite bilden die vielen Fäden ein dreidimensionales Objekt textiler Natur, das Technik und Materialhaftigkeit nachvollziehbar und erfahrbar macht.
Die Homepage von Birgit Hölmer: HIER
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FARKHONDEH SHAHROUDI
Farkhondeh Shahroudi arbeitet mit den unterschiedlichsten textilen Materialien. Unter anderem mit Teppichen, die, wie in der ausgestellten Arbeit, auseinandergeschnitten und neu wieder zusammengesetzt werden. Daraus ergeben sich nicht nur neue visuelle Impulse, sondern auch neue Gedankenketten die uns auf bisher vielleicht unbekannte Pfade in neue Welten führen.
Die Homepage von Farkhondeh Shahroudi: HIER
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HODA TAWAKOL
Ich kannte Hoda Tawakol bisher nicht. Und wenn ich ehrlich bin, dann haben die beiden Arbeiten von Hoda Tawakol, die in dieser Ausstellung zu sehen sind, im ersten Raum das in Rottönen gehaltene Objekt an der Wand, im dritten Raum das unten abgebildete Objekt, mich nicht wirklich dazu eingeladen, mich mit ihrem Werk auseinanderzusetzen, sondern erst die Vorbereitung auf diesen Eintrag, die mich dahin gebracht hat, im Internet weitere Information über die Künstler:innen zu suchen.
Also schaut gerne mal auf ihrer Seite nach, was sie sonst noch so macht. Den Link findet ihr auch hier nach den Fotos der Arbeiten aus der Ausstellung.
Die Homepage von : HIER
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SLAVS AND TATARS
Über Slavs and Tatars kann man bei Wikipedia lesen: ein Künstlerkollektiv mit Sitz in Berlin, 2006 von Kasia Korczak und Payam Sharifi ursprünglich als Lesegruppe gegründet. Selbstbezeichnet als „Splittergruppe der Polemik und engen Freundschaft,“ widmen sie sich dem Gebiet „östlich der Berliner und westlich der Chinesischen Mauer, bekannt als Eurasien“. Ihre Praxis besteht aus Ausstellungen, Publikationen und Lecture Performances.
Ein wichtiger Aspekt der multidisziplinären Arbeiten von Slavs and Tatars ist der „metaphysischer Spagat“ – die Auflösung kultureller oder logischer Widersprüche. Konkurrierende Nutzbarkeiten („Poesie und Politik“), Ideologien („Marx und Mohammed“), oder Regionen („Polen und Persien“) aus eurasischen Traditionen werden in „polemischen Aussagen oder Objekten verdichtet“ und so durch den „hypothetischen Turner“ verbildlicht.
Zu der ausgestellten Arbeit, Alphabet Abdal findet sich auf der Homepage des Künstlerkollektivs folgende Erklärung: „Though considered to be the sacred language of Islam, the Arabic language and alphabet is equally the language of Middle Eastern Christians. Featuring an exodus, Alphabet Abdal commemorates the endangered Levantine, Hijazi origins of Christianity, and, with it, the heritage and language that expresses these traditions. The text reads: ‘Jesus, son of Mary, He is Love’.“
Bei Alphabet Abdal habdelt es sich um einen getufteten Teppich. Tufting funktioniert nach dem Prinzip der Nähmaschine. Öhrnadeln mit eingezogenem Polgarn (Tuftinggarn) durchstechen das Trägermaterial. Auf der unteren Seite der durchstochenen Trägerschicht werden, bevor die Nadeln wieder zurückgezogen werden, von Greifern die Polfadenschlingen ausgebildet und gleichzeitig die Polhöhe fixiert. Zum Festhalten der Polschlingen oder des Flores wird die Rückseite des Grundmaterials mit einer Kunstoffdispersion oder Latex beschichtet. Getufted wird in der Großproduktion an großen Maschinen, aber für den Heimbedarf oder die Anfertigung von Einzelstücken gibt auch Tufting-Pistolen.
Die Homepage von Slavs & Tatars: HIER