Aus der Stille heraus. Teil 5.
Klein und fein. Beim letzten Kurs in den Räumen des Pulsraumes im Wedding war die Runde der Teilnehmenden sehr klein. Die Erkältungswelle hatte da schon begonnen und die krankheitsbedingten Absagen hätten eine Absage oder ein Verschieben des Kurses nahelegen können. Aber ich fand es schade, und so haben wir zu dritt ein sehr intensives und entspanntes Wochenende an den Webrahmen verbracht.
Solch eine kleine Gruppe in einem Kurs bringt eine andere Dynamik. Wir waren sehr entspannt und ich habe bewußt den zeitlichen Rahmen des Wochenendes schon zu Beginn durch das Angebot ausgeweitet, auch diesmal die Webrahmen mitnehmen zu können und zuhause das Webstück fertigstellen zu können.
Das vorweg, denn das hat dazu geführt, dass die Stücke am Kurswochenende nicht fertig geworden sind, unter anderem weil beide Teilnehmerinnen, Inés und Nadine, sich mutig an sehr komplexe Entwürfe herangetraut haben.
Und es hat auch dazu geführt, dass ich Zeit und Muße fand, selbst ein kleines Stück zu arbeiten, um den beiden nicht zu sehr auf die pelle zu rücken und genug Freiraum zu lassen für das eigene Erkunden und Schaffen.
Hier, wie immer, ein kleiner Blick auf die Anfänge des Kurses. Wir haben uns diesmal viel Zeit für die Besprechung der Entwürfe genommen, bzw. für all die Gedanken, die bei der Übertragung vom (gemalten) Bild zur Wirkerei zum Tragen kommen, was unbedingt beachtet , was abgewägt werden sollte, welche Techniken zum Einsatz kommen werden…
Nadine
Für Nadine ist es der zweite Kurs. Und sie hat diesmal einen ganz anderen Entwurf mitgebracht. Wenn ich mich recht erinnere, ist es das erste Mal, dass jemand einen so extrem malerischen Entwurf in Angriff nimmt, bei dem der Pinselstrich eine zentrale Bedeutung hat. Dementsprechend haben wir die Techniken besprochen, die eine Umsetzung in das textile Medium erlauben.
Unter anderem wird der Schußfaden diesmal nicht in der reinen Horizontalen eingelegt, sondern er folgt dem im Entwurf vorgegebenen Duktus des Pinsels.
Inés
Anhand von Inés‘ Entwurf konnten wir eine Weile das Für und Wider unterschiedlicher Ausrichtungen der Webvorlage unter der Kette abwägen. Wenn ich bei den Kursen die Vorgabe mache, dass die Entwürfe quadratisch angelegt und um das Bild herum auf allen Seiten ein Rahmen stehen gelassen werden soll, dann hat das damit zu tun, dass ich die Freiheit haben möchte, zu Beginn der Arbeit am Webrahmen entscheiden zu können, ob und wenn ja, warum, die Vorlage um 90 Grad gedreht abgearbeitet werden soll.
Es macht einen Unterschied, ob dieses Bild von unten nach oben oder von einer Seite zur anderen gewebt wird. Das hat damit zu tun, dass alle Schrägen, die eher in der Horizontalen verlaufen, sanfter u weben sind, als diejenigen, die in der Vertikalen verlaufen.
Schrägen entstehen dadurch, dass Reihen verkürzt, bzw. verlängert werden. Dabei entstehen kleine „Treppchen“. In der Vertikalen sind diese Treppchen so groß wie der Abstand zwischen den Kettfäden. In der Horizontalen sind sie so groß, wie die Dicke einer Reihe Schußfaden (einmal hin und zurück).
Formen in der Vertikalen kommen durch eine 90-Grad-Drehung in die Horizontale und sind so besser zu weben, sprich es gibt keinen Schlitz im Gewebe, um den man sich Kümmern müßte, wenn man ein solides Gewebe erhalten möchte.
Bei diesem Entwurf war abzuwägen, ob diese „Erleichterung“ und diese „Feinheit“ beim Fisch oder beim Seegras liegen soll. Inés hat sich für das Seegras entschieden und deshalb den Entwurf um 90 Grad gedreht, um die filigranen Gräser feiner weben zu können.
Wir werden uns ein wenig gedulden müssen, um das Ergebnis zu sehen. Aber das tun wir gerne, denn es werden sehr schöne Arbeiten.