Nachtrag I _ Die „OLW“
Der Ort _ Die Oberlausitzer Webschule
Bevor ich jetzt weiter der Reiseroute folge und über Zittau berichte, hier ein wichtiger Nachtrag zu meiner Zeit in Großschönau. Denn neben all dem Netzwerkweben und der Erkundung neuer Landschaften und Bräuche ging es auch darum, einen Bidwirkereikurs im Rahmen des Ersten WEBERSOMMERS in der im Entstehen begriffenen Oberlausitzer Webschule zu geben.
Vor knapp zwei Jahren, im Herbst ’21, war ich das erste mal in Großschönau. Damals war es auch das erste Jahr, dass in den Räumen der alten Webschule Aktivitäten stattfanden. Im Vorfeld gab es ein umfangreiches Konzept, das über einen Ideenwettbewerb die ersten Fördermittel einwerben konnte, mit denen wiederum die Sanierung des ersten Bauabschnitts und die Etablierung der ersten Angebote gestartet wurden.
Ihr seht schon, da kommt viel „erstes“ zusammen. Denn das ganze Projekt ist in seinem Umfang (baulich und inhaltlich) ein ambitioniertes, zukunftsorientiertes Vorhaben, das einen langen Atem braucht, um immer wieder Allianzen mit der Einwohnerschaft, der Politik, der Wirtschaft, der Bildung und der Kunst zu schließen, um mit Geduld und Leidenschaft ein tragendes Netzwerk aufzubauen, um bewahrend und innovativ zu wirken. Ein langer Weg, aber wenn man nicht irgendwann anfängt zu laufen, dann kommt man nie an.
Die Voraussetzungen sind jedenfalls gegeben. Der Gebäudekomplex hat Potential, die Geschichte des Ortes als Textildorf sowie der Umgebung, die Verbindung mit dem Deutschen Damast- und Frottiermuseum….. das Engagement der Menschen, die dieses Projekt in Händen haben… wenn jetzt auch noch Verwaltung und Politik mitziehen, die Anschlussfinanzierung auf lange Sicht gesichert werden kann und die Einwohnerschaft sich mit dem Fortschritt der Bauarbeiten zunehmend für dieses Projekt begeistert und sich mit ihm identifiziert, dann……. werde ich bei meinem nächsten Besuch in Großschönau auf einen spannenden Ort des Austausches, des kreativen Forschens und Schaffens stoßen. Darauf freu ich mich jetzt schon.
Ich konnte von meinem zweiten Standort in Großschönau zusehen, wie die alte Dachlattung abgenommen wurde, der zukünftige Eingangsbereich hat schon einen Aufzug und die ersten stetigen Angebote sind bereits angelaufen und helfen, diesen Ort als lebendigen Ort zu etablieren. Das sind konkrete Schritte.
Und dann fange ich an mir vorzustellen, was…., wie…, wann… . Es ist immer „gefährlich“ jemanden, der in Kunst und Kultur unterwegs ist, vor solch ein Gebäude zu setzen, denn wenn es darum geht, etwas in Dinge oder Orte „hineinzusehen“, dann sind wir ganz weit vorne. Berufskrankheit, sozusagen.
Ich habe das Konzept nicht gelesen und es wird bald ein zweites geben müssen, um die Folgefinanzierung zu sichern, aber würde man mich fragen, so als Künstlerin…… dann würde ich wahrscheinlich nur das unterstützen können, was jetzt bereits für das Projekt in der Zukunft angedacht ist:
1. Eine permanente Künstlerresidenz mit unterschiedlichen Aufenthaltsformaten. Das könnte finanziell vielleicht ein Selbstläufer sein, wenn man die Webschule gut vernetzt, und es ist aus meiner Sicht eine reine WIN-WIN-WIN-Situation:
- für die Künstler:innen, weil die Umgebung, die natürliche und architektonische, ungemein inspirierend ist, noch dazu mit ihrer Nähe zu den Nachbarländern Polen und der Tschechischen Republik; außerdem ist es für alle, die aus ihrem künstlerischen Selbstverständnis heraus nicht oder nicht nur Kunst für den Markt, sondern vor allem für den Menschen und die Gemeinschaft machen wollen wichtig, ganz nah bei diesen Menschen arbeiten zu können, ihren Alltag zu sehen und zu verstehen….
- für die örtliche Bevölkerung ist es aus meiner Sicht eine Bereicherung, immer wieder neue Impulse zu bekommen, wiederum ihren Alltag neu zu betrachten und ihre Gedanken zu kontrastieren mit dem, was ein neuer, anderer Blick ihnen spiegelt.
- für die existierenden Einrichtungen, weil eine Künstlerresidenz für immer neue Inhalte sorgt, durch Workshops, Küstlergespräche, Ausstellungen, Interventionen im öffentlichen Raum….. So viel Abwechslung und Frische kann man aus dem institurtionellen Rahmen heraus kaum schaffen.
2. Ein POP-UP-Ausstellungsraum. Wir hatten die Gelegenheit, mal ganz kurz anzutesten, als Spielerei. Barbara Okeke hat dort ihre Textilien für die Verkaufsausstellung präsentieren können, und ich die kleinformatigen Arbeiten, die ich mitgebracht hatte, um den Kurs zu „unterfüttern“ und Anregungen bereitzustellen….Auch da sehe ich nur Vorteile:
- Es wäre eine gute Ergänzung zum Ausstellungskalender im Damast- und Frottiermuseum, der einen geruhsameren Wechsel der Ausstellungsangebote vorsieht, um allen Interessierten ausreichend Zeit zu geben, das Angebot auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Die kleinen, leichten weniger aufwändigen Pop-Up-Ausstellungen könnten weitere Facetten eines gleichen Themas behandeln oder neue Ansätze vorstellen.
- Für Kunst_Handwerks_Schaffende ist es immer wichtig, Räume zur Verfügung zu haben, um Ausstellungssituationen zu üben, um die Arbeiten in einem neuen Kontext oder einfach mal mit Luft drum herum zu fotografieren, um neue Formate auszuprobieren und dem ersten Publikum zugänglich zu machen…… vielleicht die eigenen Arbeiten auch im Dialog mit denen anderer Kunstschaffender zu sehen….
- Für das Publikum ist es toll, immer wieder einen neuen Grund für einen Besuch in der Webschule zu haben und eine gewissen Routine zu entwickeln, einen Überblick zu bekommen, über all das, was in der näheren und weiteren Umgebung an Kunst_Hand_Werk existiert…..
3. ein Begegungs- und Bildungszentrum, in dem alle Fäden zusammenlaufen. 🙂 Bewahren, Bilden, Erneuern….. Kunst, Handwerk, Industrie …..
Ihr seht…. ich könnte stundenlang so weitermachen. Aber ich weiss, dass die für das Projekt Verantwortlichen, allen voran Steffi Friebolin und Annemarie Mönch, mit allen Verbündeten, der Gemeinde, dem Museum, etc. …… sich darüber seit Monaten schon Gedanken machen und daraus ein überzeugendes Konzept für die Zukunft entstehen wird.
Mich macht es froh, dass es solche Orte gibt, im Entstehen, in die Zukunft schauend, neue Wege öffnend, Hoffnung für das textile Kunst_Hand_Werk bewahrend…. ich finde es spannend und bin dankbar dafür, den Prozess im Rahmen meiner Möglichkeiten begleiten zu können.
Ihr werdet also immer mal wieder erfahren, wie es mit der Oberlausitzer Webschule weitergeht, könnt gerne selbst ab und an mal reinschauen auf der Homepage und wenn ihr in der Nähe wohnt:
In dieser Webschule hatte ich auch immer Unterricht in den DDR Zeiten , das war sehr schön