berlin _ 1173 _ labyrinth

Was hat die Berliner Trinkkultur mit Labyrinthen zu tun?

 

Als ich im Frühjahr 2017 nach Berlin kam und neugierig durch Straßen dieser Stadt gelaufen und geradelt bin, um neue Eindrücke zu sammeln in dieser mir unbekannten Stadt, sind mir drei Dinge aufgefallen, die miteinander zu tun haben:

Schnell bekam ich das Gefühl, dass man die Menschen in drei große Gruppen einteilen kann, von denen mir zwei auch aus Madrid vertraut waren, eine aber vollkommen neu:

Da gibt es diejenigen, die immer eine Wasserflasche dabei haben. Oft sichtbar, manchmal erahnbar. Aber sie ist da. Man fühlt sie sozusagen. Als ich nach Madrid kam, gab es überall in der Stadt Brunnen mit Trinkwasser, an denen die Menschen ihren Durst stillen konnten. Fast zeitgleich mit den Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum sind sie verschwunden und im Stadtbild tauchten die Kioske auf, die in Plastikflaschen abgefüllte Getränke teuer verkauften, an Touristen, aber auch an Einheimische, wenn sie ihre Wasserflasche zuhause vergessen hatten, vielleicht, weil sie noch in der Vergangenheit verfangen waren.

Dann gibt es diejenigen, zu denen ich gehöre. Wir sind „trocken unterwegs“. Wir sind vor der 2_Liter_Erkenntnis geboren, sind erzogen worden mit den Grundsätzen des: Zuhause trinken, vor dem Losgehen noch einmal Pipimachen…. Wir wussten, dass das mit dem Trinken auf die Dauer unweigerlich einhergehende Pinkelbedürfnis ein Problem werden könnte. Das ist besonders für Frau ein Problem, denn Bäume bepinkeln geht nicht, öffentliche Toiletten gab’s nicht viele und wenn, dann eher nicht empfehlenswert, und eine Toilette in einem Café zu benutzen kam nicht in Frage, weil es mit dem Verzehr irgendeines der Angebote verbunden war, und dafür war kein Geld da. Kurzum, man ging durch die Welt, möglichst ohne Spuren zu hinterlassen, und alles andere passierte daheim.

Und dann gibt es die dritte Gruppe von Menschen, und die mir _ weil ungewohnt  _ besonders aufgefallen ist: die vielen, vielen Menschen, die in Berlin mit einer Bierflasche (manchmal auch mit einer Bionade oder ähnlichem) unterwegs sind, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.

Vor allem diese letzte Gruppe ist es, die zu bestimmten Phänomenen im öffentlichen Raum führt:

I. Die Flasche

Nun trinkt man unterwegs und will die eine oder mehrere ausgetrunkenen Flaschen, die ja, da meist aus Glas, der Wiederverwertung zugeführt werden sollen und daher beim Kauf mit einem Pfand belegt werden, nicht unbedingt den Rest des Tages mit sich rumtragen. Also werden sie abgestellt. Im Idealfall gibt es organisch entstehende oder sogar vorgedachte Sammelpunkte.

Ansonsten stehen sie so rum in der Landschaft und es gibt Menschen, die diese Flaschen sammeln und sich mit dem Pfandgeld „über Wasser“ halten. Das führt manchmal zu Revierkonflikten unter Stammsammler:innen und am Wochenenden bei den Supermärkten die sonntags öffnen zu langen Schlangen an den Leergutautomaten.

Immerhin, die Flasche bleibt heile, die Flasche kommt in den Kreislauf zurück und die Flasche erfüllt ihren Dienst, so oder/und so.

Schlimmstenfalls geht sie aber kaputt. Und das bedeutet Scherben. Viele. Und auch die gibt es in Berlin, sehr zum Ärger der Fahrradfahrenden, von denen es auch viele gibt, in dieser Stadt. Ganz zu Schweigen von den Barfußgehenden, die nicht ganz so zahlreich sind, aber durchaus weniger selten als zum Beispiel in Madrid.

 

II. Begleitung

Nicht alle trinken Bier pur. Manchmal gibt es die Kombi aus „Kurz“ und „Lang“, also Bier und Schnaps oder Kräuterlikör. In den Kneipen nennen wir das je nach Region „Herrengedeck“. Auf der Straße wird das zu einem Sechserpack Bier im Angebot und einem Pülleken Schnaps aus dem Regal an der Supermarkt-Kasse.

Das Problem? Nun, diese Fläschchen sind nicht mit Pfand belegt, das heisst es gibt keinen finanziellen Anreiz, diese Flaschen zu sammeln, diese Flaschen sinnvoll zu entsorgen…. Der Vorteil im Nachteil: sie gehen nicht so schnell kaputt. Sie liegen halt so rum, in Wiesen, am Straßenrand, um die Bäume……

Eine von ihnen habe ich herausgegriffen, und ich mache jetzt mal Werbung: Ja, es ist die Jägermeisterflasche, denn sie hat eine so wunderbar rechteckige Form, wie ein Dominostein….. und ein so wunderbar grünes Grün…, dass ich schnell begonnen habe, sie zu sammeln. Sie sind die Steinpilze unter den Kleinflaschen, die auf der Strasse zu finden sind.

Das macht es zu einer Herausforderung, eine gewisse Menge zusammenzubringen, die ausreicht, um ein Labyrinth legen zu können, denn _ und das wollen wir hier bei all der Trinkkultur nicht aus dem Auge verlieren _  es geht um die Labyrinthe!

Aber es wird. Und manchmal bekomme ich ja auch Hilfe. Berthild hat mir ihre Sammlung überlassen, die jetzt einfliessen wird in mein Grünflaschenlabyrinth.

 

II. Die Kronkorken

Klar, fast jede Bierflasche hat einen Kronkorken und fast jeder Biertrinkende Mensch Übung darin, die Flasche zu öffnen, unabhängig davon, ob gerade ein  Flaschenöffner  zur Hand ist, oder nicht. Was anscheinend bei den meisten nicht „zur Hand“ ist, ist die Gewohnheit, den wegpoppenden Kronkorken einzufangen und in den Mülleimer zu schmeissen oder in die Hosentasche zu stecken, bis ein Mülleimer am Horizont auftaucht.

Die Unmenge an Kronkorken, die überall in dieser Stadt in unterschiedlicher Dichte und Vielfältigkeit den Boden bedecken….. von Ort zu Ort gibt es Verschiebungen in der Häufigkeit, je nach Trinkgewohnheit der dort lebenden Menschen… ist beeindruckend.

Schnell habe ich damit begonnen, diese Kronkorken zu sammeln. Das Ziel: irgendwann aus diesen Hunderten von Kronkorken ein Labyrinth zu legen. Nicht ganz Pop-Up, aber doch eine Arbeit mit vorhandenem Material…….

Vielleicht schon bald, zum Aufbruch des KUKUmobils, wenn es darum geht, zurückzublicken auf das, was denn in diesem Halben Dutzend Jahren hier in Berlin meine Aufmerksamkeit gefesselt hat.

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