An der Futterstelle, die Anna in ihrem Garten installiert hat, um den Vögeln über den Winter zu helfen, tummelt sich so ziemlich alles, was auf einer „Besucherliste mit Vogelnamen“ so auftauchen würde, allen vorweg die Blau-, Kohl-, Hauben- und Trauermeisen. Aber auch Rotkehlchen, Stieglitz, Finken aller Couleur….
Angesichts der Vielfalt habe ich es gewagt, mir den Besuch eines Dompfaffs zu wünschen. Seit Ewigkeiten habe ich keinen mehr gesehen. Dabei liebe ich diesen so besonderen Rotton mit dem die Männchen sich hervortun. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie sie früher, als die Winter noch weiß waren, immer zu uns auf den Balkon kamen, um nach Futter zu suchen.
Stundenlang habe ich bei Anna aus dem Küchenfenster geschaut und das Kommen und Gehen an der Futterstelle beobachtet. Vor einiger Zeit sah ich ein Weibchen und fragte mich, ob es Single ist, oder womöglich Witwe, ob das Männchen nur zu schüchtern ist, oder nicht hungrig genug…..
Jetzt habe ich ihn gesehen. Den Herrn Dompfaff. Es gibt sie also noch. So wie die Maikäfer, von denen mir voriges Jahr einer mit einem lauten Plopp in das KUKUmobil geflogen kam.
Manchmal überkommt mich eine große Sorge, wie eine düstere Wolke, wenn ich den Gedanken darüber zu viel Raum gebe, wie sich die Landschaft die ich kenne, in der ich aufgewachsen bin, deren Farbpalette und Geruch nach feuchtem Laub, nach Moos und Pilz, mir durch und durch vertraut ist, Teil meiner Erinnerung, Teil meiner Gefühls- und Gemütslandschaft, angesichts des Klimawandels zwangsläufig ändern wird.
Dann bin ich so unsäglich froh, wenn ich meine Hand tief in einem Moospolster vergraben kann, wenn ich durch die sumpfigen Wiesen laufe, um Binsen zu ernten … mein zuversichtliches Warten belohnt wird und ich einen Dompfaff zu Gesicht bekomme. Ein kleines Weilchen scheint die Welt dann doch noch in Ordnung zu sein, auch wenn ich weiß, dass sie es eigentlich nicht mehr ist.