Nachtrag III _ Rosshaargewebe
Zu den vielen Stationen, die auf dem Textilpfad durch das Textildorf Großschönau führen, gehört eine im Gemeindeamt. In diesem Einzimmer-Schaufenstermuseum wird ein ganz besonderes Projekt / Experiment vorgestellt:
Dort befinden sich die beiden entscheidenden Elemente des Experiments: Die Garnitur, für die der Stoff gewebt wurde, und der Webstuhl, auf dem diese Arbeit realisiert wurde.
Auf mehreren Texttafeln wird erklärt, mit welchen Herausforderungen man es zu tun hatte.
Alles beginnt beim Rohmaterial. Das richtige, will sagen zum Weben geeignete Haar zu finden, war eine der ersten Fragen, die es zu lösen galt. Die einzelnen Schweifhaare mußten so lang sein, wie die Kette breit, also zwischen 75 und 80 cm. Denn hier ging es nicht darum, mit verzwirntem Pferdehaar zu weben, wie das in Forst der Fall war (Artikel zur Rosshaarweberei in Forst).
Die ersten Versuche wurden mit mongolischen Pferdehaar gemacht. Das erwies sich jedoch als ungeeignet. Mit der Beschaffung der geeigneten Rosshaare kamen neue Fragen auf: sie mußten eingeweicht und feucht verarbeitet werden, weil sie sonst zu brüchig waren. Sie mußten, wie gesagt, einzeln in die Kette eingelegt werden, darauf achtend, dass sich Ende und Anfang der Haare in jeder Reihe abwechseln, weil die Haare sich an der Spitze verdünnen und das Gewebe ja nicht auf einer Seite „abfallen“ soll.
Um das Ganze effizient zu gestalten und der „normalen“ Jaquardweberei anzugleichen, bei der der Schutzfaden auf Spulen gewickelt und in einem Schützen liegend durch die Kette geschossen, wurde zuerst mit Holunderstängeln experimentiert, in die die einzelnen Haare eingefädelt wurden. Danach mit Metallhülsen, die mehrere Fäden gleichzeitig aufnehmen konnten.
Aus meiner eigenen Erfahrung an einem der letzten kleinformatigen Bildwirkereien, bei der ich vor Jahren in Nordspanien an Weidezäunen gesammeltes Pferdehaar benutzt habe kann ich nur bestätigen, dass es nicht einfach ist, Pferdehaar zu verweben. Aber das Ergebnis ist sooo schön. Und als Gewebe ist es enorm strapazierfähig, also für eine Sitzgarnitur genau das richtige.