berlin _ 1032 _ KUKUmobil

Ein Gefühl von ….. Winter

Fast ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass wir mit dem Bau des KUKUmobils begonnen haben. Dabei haben wir noch bis vor wenigen Wochen im kurzärmligen T-Shirt gewerkelt und die im Laufe der Zeit angenehme Wärme der Sonne genossen, derselben Sonne, die im Sommer an so vielen Tagen so präsent gewesen ist, dass wir erst in den Nachmittagsstunden mit der Arbeit beginnen konnten und dann oft bis in die kühle Nacht hinein gebaut haben.

Und jetzt knirscht und klirrt es. Hineingeschlittert sind wir in den Winter. Dabei wäre es gerade dieses Jahr dankenswert, wenn er sich zurückhalten würde. Väterchen Frost. Auch, aber nicht nur, wegen des KUKUmobil-Baus, eher wegen der allgemeinen Stimmung und der Sorge, die viele Menschen umtreibt.

Unsere Baustellenausrüstung hat sich verändert. Zwiebeltaktik. Es sind einige Schichten dazugekommen. Irgendwie muss der Bau ja vorangehen, also bleibt uns nichts anderes übrig, als uns gut einzupacken und die Tage zu nutzen, an denen die Sonne die Luft und die Seele wärmt. Und das Tonicwasser – Lieblingsgetränk in diesem Sommer – haben wir, der Empfehlung einer Freundin folgend, durch heiße Ingwer-Zitrone-Apfel-Shots abgelöst, in der Hoffnung, dass uns so eine Erkältung erspart bleibt.

Auch das KUKUmobil steht gut verpackt  im Hof. Solange wir die Unterspannbahn nicht anbringen konnten, musste es vor Nässe geschützt werden. Jetzt sind die Fenster drin, fehlt noch der Linoleumboden,  die Fassadenlattung, das Blechdach.

Und wir befragen jeden Tag – manchmal mehrmals – die Wettervorhersage, um zu sehen, wann denn wohl einige  Tage mit trockenem Wetter kommen mögen, essen unsere Teller leer, suchen jemanden, mit einem guten Draht nach oben…..

Ein Gefühl von ….. Heimatlosigkeit

Zur Feier Anfang November hatten wir den Webstuhl im KUKUmobil aufgebaut. Wenn schon nicht ganz fertig, dann wenigstens mit einem Schimmer von Zukunft.  Es war gut, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es sein wird, wenn wir uns in unserer kleinen speziellen Dreieinigkeit  – Webstuhl, Wolle, Weberin  – auf den Weg durch Europa machen und diesen Raum auf Rädern teilen.

Ich war überrascht von dem Eindruck, den der Webstuhl im KUKUmobil macht: Jetzt, wo er ca. 70 cm hoch vor einem steht, wirkt er fast majestätisch. Ich musste mich selbst erst wieder hineinfinden in diese neue Situation.

Es passt. Im Innenraum fühlt es sich richtig gut an. Genau so, wie ich wollte. Der minimale, aber ausreichende Raum, den ich zum arbeiten brauch und mit der Energie fluten kann, die vom Webstuhl ausgeht, wenn wir drei, er und ich und die bunten Fäden miteinander spielen und gestalten…

So weit, so gut. Wunderbar also, zum arbeiten IM KUKUmobil. Nur zum arbeiten „AM“ KUKUmobil war es denkbar ungünstig, den Webstuhl mittendrin stehen zu haben. Ein paar Tage haben wir es ausgehalten, aber dann war klar, dass wir mehr Bewegungsfreiheit brauchten und er erst einmal wieder abgebaut werden musste.

Und genau da überkam es mich wieder, dieses Gefühl von Heimatlosigkeit. In den vergangenen Jahren ist es immer mächtiger geworden, dieses Gefühl, im luftleeren Raum zu sein, ohne Halt und Haftung, wenn der Webstuhl nicht aufgebaut ist.

Dabei ist es gar nicht mal ausschlaggebend, ob ich gerade an ihm arbeite. Es ist allein das Wissen darum, dass er irgendwo steht und auf mich wartet, bereit sein Bestes zu tun um mich in die Lage zu bringen, mein Bestes tun zu können. Diese Art von Symbiose zwischen Ding und Mensch, bei der eine besondere Ruhe, Langsamkeit und Energie entsteht. Die Bewegungen, die Geräusche, die Leere, die sich füllt, das Fühlen der losen Garne und das Betrachten des festen Gewebes, das aus ihnen entsteht. Für mich wie ein Dynamo beim Fahrrad. Solange es in Bewegung bleibt, macht er Licht.

 

Seit einem halben Jahr halte ich die Fäden nicht mehr in der Hand und ich merke langsam, wie sehr es mich anstrengt, diese Schwebe auszuhalten.

 

Ein Gefühl von ….. Fremdheit

Die Schwebe … und die Fremdheit. Bei aller Begeisterung für das Erlebte, für die Einblicke, die ich machen darf in eine mir unbekannte Welt des Bauens, für die Erfahrungen, die damit verbunden sind, mit einem neuen Material, mit neuem Werkzeug, mit neuen Arbeitsabläufen umzugehen… bei all der Begeisterung hautnah miterleben zu können, wie das KUKUmobil Wirklichkeit wird und mitwirken zu können an seinem Entstehen begleitet mich doch immer ein Gefühl der Fremdheit.

Wie anders sie doch ist, diese Welt der Arbeit mit Holz. Gut, es gibt ein grundlegendes Verständnis von dem, was Handwerk bedeutet, egal mit welchem Material man arbeitet. Aber ab da ist alles anders, alles fremd.

Das höchste aller Bau-Gefühle war bei mir bisher alles, was ich aus Latten zusammenzimmern konnte: Regale, Hochbetten, Stellrahmen bei den Ausstellungen. Alles immer gedacht, geplant und umgesetzt aus der Begrenztheit heraus: der Körperkraft, der Erfahrung, der Verfügbarkeit von Raum und Werkzeug. Alle Teile konnte ich alleine bewegen, alles wurde per Hand bearbeitet, zumindest bis der Akkuschrauber auftauchte.

Ich habe mir Mühe gegeben, mich anzufreunden mit dieser Fremdheit. Es ist mir nur teilweise gelungen. Vieles von dem, was man tut, was wir getan haben, wird durch die Wegnahme von Material erreicht: es wird gehobelt, gesägt, geschnitten, es wird gebohrt, gefast, gestemmt…… Vieles ist mit Kraftaufwand verbunden, oder doch zumindest mit einer gewissen Vehemenz, irgendwie mächtig, gewaltig. Das empfinde ich als schmerzhaft. Weit weg von der Langsamkeit der Arbeit am Webstuhl, der Weichheit und Schmiegsamkeit der Garne, dem Entstehen durch das Füllen der Leere zwischen den Kettfadenzwischenräume.

Kurzum, ihr merkt es: ich vermisse das Weben.

 

Ein Gefühl von….. Unermesslichkeit

Ein halbes Jahr lang war ein kleines Stück Himmel unser Dach. Es war ein schönes Gefühl, seine überschaubare Unermesslichkeit zu bestaunen und oft auch die vielen unterschiedlichen Momente einzufangen: Wolkenberge, Abendröten und Vollmonde.

Zum Ende des Jahres wird das KUKUmobil den Standort wechseln. Großzügigerweise durfte es viel länger auf dem Hof stehen, als es eigentlich abgesprochen war. Die erste Bauzeit umfasste 4 Monate, von Juli bis September.  Jetzt ist das halbe Jahr vorüber. Der neue Standort ist schon gefunden.

 

Sobald das KUKUmobil gut angekommen ist und ich mich an dem neuen Ort ein wenig eingerichtet habe, werde ich mich bei euch melden.

Das Stückchen Himmel, das mir so vertraut geworden ist, mit seinen sehr speziellen Konturen, werde ich vermissen.

 

 

 

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1 Antwort zu berlin _ 1032 _ KUKUmobil

  1. Berthild Lorenz sagt:

    Oh.
    Ja, der Unterschied: „Vieles ist mit Kraftaufwand verbunden, oder doch zumindest mit einer gewissen Vehemenz, irgendwie mächtig, gewaltig. Das empfinde ich als schmerzhaft. Weit weg von der Langsamkeit der Arbeit am Webstuhl, der Weichheit und Schmiegsamkeit der Garne, dem Entstehen durch das Füllen der Leere zwischen den Kettfadenzwischenräume.“
    Guten Umzug wünsche ich Dir!
    Ob es wohl für mich unkompliziert erreichbar sein wird – wegen des Fotografierens mit Glaskugel? Lieben Gruß, Berthild

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