HALBZEIT in COTTBUS.
Ein Erfahrungbericht.
EIGENTLICH war geplant, nach zweiwöchigem Gastspiel in Cottbus nach Berlin zurückzufahren. EIGENTLICH _ wie ich dieses Wort liebe! Ja, Planung ist wichtig, Organisation und Koordination oft unerlässlich, und ich verstehe, dass viele dieses Wort nicht mögen, denn fast trägt es in sich schon das ABER, das alles in Frage stellt, das dem Leben mit seiner Unberechenbarkeit Tür und Tor öffnet. Nicht immer zum Guten, manchmal schleicht sich dort auch Böses und Giftiges ein. Trotzdem, ich liebe es.
Also zurück zum EIGENTLICHEN. Eigentlich hätte ich also nach 2 Wochen nach Berlin zurückfahren sollen. Doch alles hat sich anders entwickelt und viel positiver, als ich je zu träumen gewagt hätte. Nein, geträumt habe ich es, nur habe selbst ich meinen Träumen nicht getraut. Dass sie jetzt auf solch wunderbare Art und Weise Wirklichkeit werden, das habe ich den Menschen zu verdanken, denen ich in den letzten zwei Wochen begegnet bin.
Denn das KUKUmobil bleibt noch eine weitere Woche in Cottbus, schliesst mit etwas Glück und ausreichenden Teilnehmenden mit einem Wochenendkurs zum Thema Bildwirkerei seine Zeit in in dieser Stadt ab und geht dann für eine Woche nach Lübbenau, um dort am GLEIS 3 zu stehen, einem multikulturellen Zentrum, in dem drei Vereine ansässig sind, die gemeinsam für die Kunst und Kultur in der Spreewaldstadt wirken: der KulturRegio e.V mit seiner Bunten Bühne, der Freunde der LÜBBENAUABRÜCKE e.V. und der Kulturhof e. V.
Aber dazu später. Jetzt erst einmal ein Blick zurück, auf die erste Hälfte dieser ersten Reise, die im Ganzen einen Monat dauern wird:
Der Standort.
Museumsinsel Cottbus, im Schutze der Schwarzkiefer vor dem BLMK. Das ist schon ein Luxus und ein ganz besonderer Ort, aus sehr unterschiedlichen Gründen:
Der Praktische vorweg, denn er unterlegt dieses Gastspiel mit einer angenehmen Stimmung: mir steht die Infrastruktur der Museumswerkstatt zur Verfügung, mit großer Gastfreundschaft bin ich hier aufgenommen worden, kann frühstücken, duschen, Internet benutzen und, wäre es hart auf hart gekommen, hätte es niemanden gestört, wenn ich hier in den Frostnächten in einer warmen Ecke mein Lager aufgeschlagen hätte.
Es ist ruhig, es ist beschaulich. Landschaftlich und menschlich. Diejenigen, die hier unterwegs sind, mal abgesehen von denen, für die der Weg über die Insel eine Abkürzung von A nach B darstellt, sind offen für die Beobachtung ihrer Umgebung, die Betrachtung der Dinge, denen sie begegnen, die Erfahrung und das Erleben, ordnen das KUKUmobil schnell in einem künstlerischen Kontext ein und sind leicht und schnell zu gewinnen für ein Gespräch. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es diesen Bonus gibt und dass es ihn nicht immer und überall geben wird.
Es ist inspirierend. Selbst wenn es aufgrund der Jahreszeit nicht möglich war, die Fenstertür zu öffnen und den öffentlichen Raum in die Dynamik des KUKUmobils als Wirkerei-Werkstatt einzubeziehen, habe ich doch einen Weg gefunden, ihn als Wirkungsort zu nutzen.
Keiner konnte im Ernst von mir erwarten, dass ich dieser Versuchung widerstehe. Oder? Also habe ich die Schwarzkiefernadeln umsortiert. Und daraus haben sich einige interessante Gespräche ergeben.
Der Raum. Das KUKUmobil bewährt sich.
Probefahrten sind dazu da, Grenzen auszuloten, Routinen zu etablieren, Unerwartetes zu bewältigen, Zweifel und Befürchtungen zu zähmen… Träume in die Wirklichkeit zu holen. Für das KUKUmobil ist diese erste Fahrt ein voller Erfolg. Selbst in dem ja noch unfertigen Zustand, in dem es sich befindet, mit provisorischem Dach und ohne eigene Elektrik, und selbst bei schlechtem Wetter und mit einigen Tagen Dauerfrost funktioniert es, als Arbeits- und als Schlafstätte.
Es ist eher so, dass ich mich gewöhnen muss, an ganz praktische Dinge wie: die notwendige Ordnung bei wenig Raum, die Routinen, die sich ergeben, wie z.B. das Fensterputzen nach dem Ankommen, das Hin- und Herschieben des Webstuhls, um entweder die Schlafkoje oder den Arbeitsbereich nutzbar zu machen, die sinnvollste Stapelung der Materialkisten, um alles immer schnell zur Hand zu haben, den richtigen Rhythmus von Heizen und Lüften zu erkunden…. Auch eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man bei geschlossener Faltschiebetür trotzdem mit den Menschen ins Gespräch kommt.
Und wie eine sinnvolle Zeiteinteilung finden, in der die drei wichtigen Teile dieses Vorhabens sich in einem ausgewogenen Maß ergänzen können: das Erkunden neuer Orte, das Sammeln von Erzählungen und die künstlerische Arbeit im Entwurf und dessen Umsetzung am Webstuhl? Naja, und vielleicht noch die vierte und vielleicht schwierigste: wie kann man bei all dem „öffentlichen“ Leben auch ein klein wenig Privatsphäre wahren? Was passiert an den Tagen, an denen man am liebsten die Decke über den Kopf zieht und nicht in die Puschen kommt? Wenn keine Energie da ist für das Erkunden, das Zuhören, das Arbeiten? Wenn das KUKUmobil nicht in einem geschützten Raum steht, sondern mitten im Alltagsgeschehen? Wenn keine gemeinsame Sprache für die Gespräche zur Verfügung steht?
Ich denke, die kommenden Probefahrten werden auch auf diese Fragen Antworten liefern. Jetzt erst einmal zu dem, was war und ist:
Das Erkunden neuer Orte.
Das Erkunden der neuen Orte, an die das KUKUmobil auf seiner Reise kommt, wird ein wichtiger Bestandteil für die Ausarbeitung des Entwurfs sein, der die Essenz des jeweiligen Kulturraumes einfangen und im Europateppich festhalten soll. Dafür braucht es mehr Zeit als die, die ich mir in Cottbus genommen habe. Letztendlich ist es auch mein Auge, das als Filter fungiert und das Sortieren mit übernimmt.
Ganz besonders wertvoll sind solche Erkundungsgänge natürlich in ortskundiger Begleitung. Die hatte ich bei meinem Besuch im Branitzer Landschaftspark. Den Tag mit Karla habe ich sehr genossen.
Das Sammeln von Erzählungen.
Zugegebenermaßen hatte ich mir Sorgen gemacht darüber, ob die geschlossene Tür die Menschen in Cottbus davon abhalten würde, ins KUKUmobil zu kommen. Die Trennung von Innen und Außen, von privatem und öffentlichem Raum aufzuheben liegt mir sehr am Herzen. Genau deshalb habe ich mich beim Entwurf des KUKUmobils ja für die große Faltschiebetür entschieden. Nach wie vor denke ich, dass es wunderbar funktionieren wird. Aber natürlich nur dann, wenn das Wetter es zuläßt.
Das Wunderbare ist, dass die Cottbuser:innen sich nicht haben abhalten lassen. In den zwei Wochen hat es viele Besuche im KUKUmobil gegeben und viele intensive Gespräche; die Menschen haben mir berichtet von der textilen Vergangenheit dieser Stadt und Umgebung, mit Melancholie und eine Spur von Bitterkeit; von Besonderheiten dieser Region, von Sehenswürdigkeiten und ihrer Bedeutung für die Menschen hier; aber auch zu den wesentlichen Themen des Projektes, der Bewahrung unseres Kulturerbes, der Kunst der Bildwirkerei, der Zukunft des europäischen Kontinentes als unserem gemeinsamen Lebensraum hat es viele Erzählungen gegeben. Und zu ganz praktischen Fragen wie: wo ich duschen kann, wo ich schlafe……
Die Guten Gaben.
Und die Menschen haben sich Gedanken gemacht, sind gekommen um mir einen Kaffee vorbeizubringen, oder ein Butterbrot, haben mir Decken gebracht, als die Temperaturen weit unter Null sackten…
…aber auch Information:
…und Material:
Das Wiedersehen.
Und es gibt besondere Besuche. Als ich im vergangenen Jahr den Kurs in Cottbus gegeben habe, waren wir entspannt, was die Zeit und das Fertigwerden betraf. Ich wußte, dass ich wieder zurückkommen würde und ich wußte auch, dass ich keinen der Webrahmen brauchen würde. Warum also Stress machen? Und so kam es, das damals nur ein Teppich fertig wurde und der Rest der Teilnehmenden den Rahmen mitgenommen haben.
Jetzt sehen wir uns wieder. Und es bereitet mir große Freude nicht nur die fertigen Arbeiten zu sehen, sondern auch wahrzunehmen, dass sich alle gerne an den Kurs erinnern.
Die Arbeit am Webstuhl.
Und ja. Ich komme auch zum Weben. Der Teppich wächst. Langsam, wie das nun mal so ist, bei der Bildwirkerei, aber stetig, jeden Tag ein klein wenig. Ausreichend jedenfalls, um den Menschen hier den Unterschied zwischen Weberei und Wirkerei erklären zu können, und die Bedeutung der Malerei für die Bildwirkerei, und die Grundidee der Raute als Grundbaustein für den Europateppich.
Moin, Vielen Dank für den Artikel. Kam gerade sehr gelegen und hat mir geholfen! Herzliche Grüße