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Also, das war jetzt echt krass. In meiner Erinnerung aus der Kindheit in einem Haushalt ohne einen Vertreter des männlichen Geschlechts (das ist, wie ich das so sehe, ein mitentscheidender Faktor), beschränkte sich unsere Silvesterfeier immer auf das Gucken, zuerst vom Sofa aus das Fernsehprogramm, dann durchs Schlafzimmerfenster die Feuerwerke am weiten nächtlichen Himmel. Meine Mutter wohnte mit mir in der ersten von mehreren Reihen Häusern auf einem Hügel und wir hatten daher einen recht guten Rundumblick. Irgendwann hatte ich mich damit abgefunden, dass das unser Silvesterabendformat war. Und so liebte ich es tatsächlich, die Nase an der Scheibe platt zu drücken und zu hoffen, dass immer noch jemand irgendwo noch eine letzte, allerletzte, allerallerletzte Rakete in den Himmel schoss.

Im Laufe der Jahre kamen andere Silvesterabende in anderen Ländern und in anderer Begleitung dazu. Mal ging es ruhig zu, mal laut, und bei mir nistete sich die Tendenz ein, den Silvesterabend so gut wie möglich zu ignorieren. Ist natürlich Quatsch, geht ja ganz und gar nicht. Also gut, ein Fläschchen Sekt vor dem Webstuhl….. so was in der Art.

Deshalb hab ich diesmal gedacht, wenn schon, denn schon. Also sind wir zwei Stunden vor Jahreswechsel los getigert, da böllerte es schon gewaltig. Ich dachte nur, dass jemand, der durch Kriegserlebnisse traumatisiert ist, es schwer haben würde heute nacht. Zugegebenermassen habe ich nicht an die vielen Hunde und Katzen und sonstigen in menschlicher Gesellschaft oder der freien Natur lebenden Tiere gedacht, auch der finanzielle Aspekt schlummerte gestern in zweiter Reihe.

An allen Strassenkreuzungen standen schon kleine Menschengruppen mit Raketen- und Böllerpaketen bereit, einige (mit kleinen Kindern) nutzten das frühe Dunkelwerden, andere waren zu ungeduldig, um bis Mitternacht zu warten. Hin und Her zogen Menschen mit Tüten und Rucksäcken aus denen dünne Holzleisten hervorsahen, je eiter die Nacht fortschritt, um so öfter trafen wir auf bereits verlassene Brandstellen und der Himmel erhellte sich in immer kürzeren Abständen in ……. grün-rot war glaube ich die häufigste Kombination, die gestern am Himmel über Berlin zu sehen war.

Wir, ganz bescheiden mit einer Packung Riesenwunderkerzen….. Ha, schon fat lächerlich wirkte das bei dem, was dann an der Oberbaumbrücke abging. Echt krass, Leute. Krass, und irgendwie schon faszinierend, dieses selbstorganisierte Riesenspektakel.

Heute bin ich froh, dass die Keramikscherbe, die Uli aus einem polnischen Böller abbekommen hat (der eigentlich in Deutschland verboten ist) ihn nur m Nasenrücken getroffen hat (hätte auch ins Auge gehen können), bestaune die Unmengen von Müll, denke darüber nach, was man alles mit dem Geld hätte machen können, und, und, und….

Aber gestern war es einfach nur krass, man wusste gar nicht, wohin gucken (um der Vorsicht halberund aus Staunen). Faszinierend.

Nächstes Jahr werde ich vielleicht versuchen, Silvester zu ignorieren, oder auch nicht. Wer weiss. Frohes 2018.

 

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